»Kinderarmut ist in der Realität immer Mütterarmut!« Bei dieser zutreffenden Analyse bleibt Kirsten Armbruster nicht stehen. Sie denkt die Sache mit der Mütterarmut zu Ende und fordert eine #motherstoo-Bewegung. Schon deshalb lohnt es sich, ihr Büchlein zu lesen, auch wenn sie sich in ihrem Denken als Fundamentalistin erweist, die sogar den männlichen Göttern den Kampf ansagt.
Die Streitschrift macht die unsichtbare Fürsorgearbeit von Müttern als wesentliches Element für die gesamte Gesellschaft sichtbar und hält wenig von der Idee, die Lösung der Mütterarmut in ihrer zusätzlichen Erwerbsarbeit zu suchen:
»Und selbst wenn sie es schaffen, eine Ehe zu führen, wie Vater Staat es sich vorstellt, und zusätzlich zu erwerbsarbeiten, werden sie spätestens mit der Rente in den sozialen Abgrund gestoßen, denn die Frauenrente beträgt für die meisten Frauen im reichsten Staat Europas nur 50 Prozent der Rente von Männern.«
Die Autorin schlägt ein Müttereinkommen vor, das von Berufsausbildung und Zahl der Kinder entkoppelt wird und sich am mittleren Einkommensniveau orientieret. Das aus Steuermitteln finanzierte Müttergehalt soll dazu dienen »die Risiken von Müttern, in der Armutsfalle zu landen, auszugleichen, und ermöglicht den Müttern gleichzeitig, eine eigene Rente aufzubauen.«
Trotz des strukturierten Aufbaus handelt es sich bei »Mütterarmut« um keine wissenschaftliche Arbeit. Es fehlt ihr jede historisch schlüssige oder gar soziologische Dimension. Die Begriffswelt der »Matrifokalität« und der »Natürlichen Integrativen Ordnung der Mutter« sind ebenso esoterisch wie die Definition eines »PE« im Sinn von »Privat-Einkommen ist Patriarchats-Einkommen ist Penis-Einkommen«. Auch werden die »biologisch realen Körperlichkeiten« von Schwangerschaft und Geburt nicht, wie Kirsten Armbruster behauptet, von der »Denk- und Handlungsweise des Patriarchats« verschleiert, sondern wir leben in einer Welt, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird und die Werte des
Bürgertums wie in einem Erdrutsch verloren zu gehen drohen.
Es war das Bürgertum, das Kinderstuben einrichtete und die Hausfrau erfand, und zwar nicht, weil Frauen immer schon, wie Kirsten Armbruster pauschalisierend behauptet, von Männern »geraubt« wurden, sondern um die industrielle bürgerliche Gesellschaft bestmöglich zu strukturieren. Die Annahme, Männer hätten Frauen seit jeher versklavt und daran habe sich bis heute
nichts geändert, wird schon durch die hohe Zahl alleinerziehender
Frauen widerlegt, von deren Lebensform ihre Mütter und Großmütter
nur träumen konnten.
Wenn man sich an dem fundamentalistischen Überschwang nicht stößt (oder ihn mit Humor nimmt), verdient »Mütterarmut« allein dafür, dass es sich energisch gegen das Märchen von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch die Erwerbstätigkeit von Müttern wendet und nach alternativen Lösungen sucht, eine klare Leseempfehlung.
Armbruster, Kirsten: »Mütterarmut. Eine Streitschrift wider eine von
Männern definierte und nur am Mann orientierte Ökonomie«, Taschenbuch, Books on Demand 2019, 8,90 €, ISBN 978-3752857276