Die Autorin Christine Finke hat sich mit ihrem Blog Mama arbeitet einen Namen als Fürsprecherin alleinerziehender Mütter gemacht. In ihrem Buch Allein, alleiner, alleinerziehend beschreibt sie eindrücklich die Situation einer Mutter von drei Kindern, die sich nach der Trennung von ihrem Mann im sozialen, vor allem aber finanziellen Abseits wiederfindet. Obwohl sie von sich erzählt, deutet die Autorin eher beiläufig an, dass die Beziehung zu ihrem Ex-Mann von Gewalt geprägt war. Es entsteht der Eindruck, die Situation aller alleinerziehenden Frauen sei so, wie von Christine Finke beschrieben.
Tatsächlich sind alleinerziehende Mütter besonders häufig und besonders heftig von Armut betroffen. Dennoch gibt es sehr unterschiedliche Paarkonstellationen. Nicht jede ist von Gewalt geprägt. Schon gar nicht ist jede Mutter, die sich trennen will, Morddrohungen durch ihren Mann ausgesetzt, wie Christine Finke es erleben musste. Drei Jahre vor Erscheinen ihres Buches, im Jahr 2016, schreibt Christine Finke in ihrem Blog ein berührendes Loblied auf meinen verhassten Ex-Mann: »Er kämpfte, wie es seinem Wesen entsprach, aufgeben, das war keine Option für ihn. Nie. Irgendwann musste er dann doch aufgeben. Zuerst die Firma, die nicht so lief, wie er das sich vorgestellt hatte, dann die Frau, die ihn verließ, und dann die Träume, die er gehabt hatte. Das muss sehr weh getan haben. Also ging er weg, so weit weg, wie er konnte. Auch das am Ende nur folgerichtig und konsequent zu Ende gedacht. Fast könnte man ihn dafür mögen.«
Kein Wort, in dieser Liebeserklärung, über tätliche Angriffe, über Todesangst und die Flucht zu einer Beratungsstelle. Das muss sehr weh getan haben. Und zwar der Autorin. Ein Jahr nach Erscheinen ihres Buches berichtet sie in einem Interview mit dem Schweizer Tagblatt, »wie ihr Ex-Mann sie mit dem Tode bedrohte.« Zwei weitere Jahre später erzählt sie im Gespräch mit campus online: »Wenn ich nach der Trennung von meinem Ehemann Bekannte traf und sie sich nach mir erkundigten, wie es mir ginge, lautete meine Antwort meist: sehr schlecht, weil mein Mann mir ein Messer an den Hals gehalten und mich fast getötet hat. Anders hätte ich es nicht ausdrücken können. Frauen, die Partnerschaftsgewalt erlebt haben, schweigen oft. Für mich war es erst fünf Jahre nach der Tat möglich, mit
der Öffentlichkeit meine Geschichte zu teilen.«
Frauen, die Partnerschaftsgewalt erlebt haben, schweigen oft. Sie
schweigen, wie Christine Funke in ihrem Buch. Wer sich nur ein bisschen mit Beziehungsgewalt auskennt, weiß dennoch spätestens ab Seite 27, dass es sich bei der Ehe der Autorin um eine Gewaltbeziehung gehandelt haben muss. In distanziert abstrakten Worten erzählt sie davon, am Abend nach der Trennung von ihrem Mann, mit dem sie noch die Wohnung teilte, sei »ein erheblicher Geldbetrag von meinem Festgeldkonto aufs Konto des
Exmannes gewandert (..), obwohl ich meine PINs in meiner Handtasche aufbewahrte.«
Der Eifer, mit dem Christine Finke für die Sachen der Alleinerziehenden ficht, resultiert aus der Verletztheit, vom eigenen Mann nicht nur finanziell betrogen, sondern auch körperlich so misshandelt worden zu sein, dass sie ein Krankenhaus aufsuchen musste. Die öffentlichen Forderungen der Autorin richten sich an den Staat, der den Alleinerziehenden helfen soll. Die Situation von Ehefrauen bleibt ausgeblendet, die von Trennungsvätern sowieso. Es scheint keine Gemeinsamkeiten zu geben. Dabei gibt es sie.
In ihrem Buch wirft Christine Finke ein Schlaglicht auf die
Situation von Gewalt betroffener Frauen, die aus unzumutbaren Verhältnissen ausbrechen, um sich in unzumutbaren Verhältnissen wiederzufinden. Die Forderungen, die sie hieraus ableitet, setzen auf den Staat, der Väter zu ihren Pflichten anhalten soll. Dass viele Eltern durch ein gemeinsames Interesse an ihren Kindern verbunden sind, das sie nach einer Trennung weiter pflegen, ist nicht Teil der Betrachtung. Dabei sind kooperierende Trennungseltern in Hinblick auf eine zukunftsweisende Familiengestaltung eine Avantgarde, zu der neben den Alleinerziehenden auch Trennungsväter zählen.
Finke, Christine: »Allein, Alleiner, Alleinerziehend«, Paperback, 240 Seiten, Köln 2016, ISBN: 978-3-7857-2559-7, 14,99 €