Ehe- und Familienrecht

Die finanzielle Gleichberechtigung von Frauen endet in der Ehe.

Der im Grundgesetz verbriefte rechtliche Anspruch auf Gleichberechtigung von Frauen und Männern stößt auf eine gesellschaftliche Realität, in der alle Entscheidungsgewalt traditionell bei Männern lag, auch und vor allem die über Geld und Vermögen.

Im Bürgerlichen Gesetzbuch war bis zum Gleichberechtigungsgesetz von 1958 klar geregelt, dass der Mann das Oberhaupt der Familie war, er hatte in allen ehelichen Angelegenheiten in letzter Instanz die alleinige Entscheidungsbefugnis. Im Paragrafen 1354 des BGB von 1896 stand wörtlich: »Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu; er bestimmt insbesondere Wohnort und Wohnung.« Für Frauen hatte das zur Folge, dass ihr Vermögen bei Eheschließung in das ihres Mannes überging. Auch durften sie nur mit seiner Zustimmung ein Konto eröffnen und eine Erwerbsarbeit aufnehmen. Der Mann konnte seiner Frau sogar den Schlüssel zur gemeinsamen Wohnung abnehmen. Zwanzig Jahre später wurde die sogenannte Hausfrauenehe aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gestrichen. Seither heißt es in § 1356 BGB: »Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen.«

Die finanzielle Gleichberechtigung von Frauen mit Männern ist nicht garantiert. Für „eheliche Lebensgemeinschaften“ gelten im Ehe- und Familienrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die folgenden überholten und realitätsfernen Prinzipien:

§ 1353
(1) Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet.

Wie diese Verpflichtung umgesetzt wird, liegt im freien Ermessen der vor dem Gesetz formal gleichberechtigten Partner. Jedes Ehepaar entscheidet selbst, wie Erwerbstätigkeit und Haushaltsführung aufgeteilt werden:

§ 1356
(1) Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen. Ist die Haushaltsführung einem der Ehegatten überlassen, so leitet dieser den Haushalt in eigener Verantwortung.
(2) Beide Ehegatten sich berechtigt, erwerbstätig zu sein. Bei der Wahl und Ausübung einer Erwerbstätigkeit haben sie auf die Belange des anderen Ehegatten und der Familie die gebotene Rücksicht zu nehmen.


Unklar ist, was geschieht, wenn das „gegenseitige Einvernehmen“ nicht hergestellt werden kann. Oder wenn die „Überlassung der Haushaltsführung“ ohne gegenseitiges Einvernehmen überantwortet wird. Das formale Recht, erwerbstätig zu sein, wird durch die Forderung „gebotener Rücksicht“ eingeschränkt, die nicht eingeklagt werden kann.

Interessant ist auch der folgende Paragraph, der die gegenseitige „Verpflichtung zum Unterhalt der Familie“ regelt:

§ 1360
Die Ehegatten sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Ist einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen, so erfüllt er seine Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts.


Obwohl es die klassische Hausfrauenehe längst nur noch in Ausnahmefällen gibt, hebt das Gesetz auf die „Haushaltsführung“ ab. Die Familienarbeit, die in der Regel von Frauen geleistet wird, durch die Betreuung und Erziehung gemeinsamer Kinder, kommt in den Familienrechtsparagrafen nicht vor. Wenn man unterstellt, die Familienarbeit sei „mit gemeint“ (so wie „sie“ mit gemeint ist, wenn von „er“ die Rede ist), ist zwar geklärt, dass eine Frau, die Familienarbeit und Haushaltsführung übernimmt, nicht auch noch erwerbstätig sein muss, sondern der Ehegatte verpflichtet ist, sie „angemessen zu unterhalten“. Was das aber heißt, bleibt im Dunkeln. Weder wird ein Anspruch auf angemessene Teilhabe am Einkommen noch gar eine Teilhabe an Vermögensbildung und Altersvorsorge gesetzlich verbrieft. Durch Eheverträge kann jedes denkbare finanzielle Ungleichgewicht privatrechtlich vereinbart werden.

Klar definiert ist im Gesetz nur der Zeitpunkt der Unterhaltsleistung, die „im voraus“ zur Verfügung zu stellen ist – egal, in welcher Höhe:

§ 1360a
(2) Der Unterhalt ist in der Weise zu leisten, die durch die eheliche Lebensgemeinschaft geboten ist. Die Ehegatten sind einander verpflichtet, die zum gemeinsamen Unterhalt der Familie erforderlichen Mittel für einen angemessenen Zeitraum im voraus zur Verfügung zu stellen.


Nach der Jahrtausendwende gab es eine Gesetzesinitiative des Landes Baden-Württemberg, diesen Paragraphen zu ändern, die dann versandet ist. Die Forderung des Verbandes der Familienfrauen und -männer e.V. (ehemals Deutsche Hausfrauengewerkschaft), einen Rechtsanspruch auf Auskunft über Einkommen und Vermögen des Partners und gleiche Teilhabe einzuführen, liegt ebenfalls auf Eis.

Verheiratete Frauen, die weniger verdienen als ihre Ehemänner oder finanziell von ihnen abhängig sind, sind faktisch auf den guten Willen ihres Partners angewiesen, sie gleichberechtigt an Einkünften und finanziellen Entscheidungen partizipieren zu lassen. Da es meist die Männer sind, die mehr Geld verdienen, über mehr Erbe und mehr Vermögen verfügen, sind Frauen in ihren Ehen in einer strukturell benachteiligten Situation.

Verschärft wird dies Gefälle durch das eheliche Güterrecht, nach dem Ehegatten im Güterstand der „Zugewinngemeinschaft“ leben, sofern sie nicht vertraglich etwas anderes vereinbaren. Während der Ehezeit gibt es kein gemeinschaftliches Vermögen. Jedem gehört, was er (oder sie) durch eigene Erwerbstätigkeit verdient.

§ 1363
(2) Das Vermögen des Mannes und das Vermögen der Frau werden nicht gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten; dies gilt auch für Vermögen, das ein Ehegatte nach der Eheschließung erwirbt. Der Zugewinn, den die Ehegatten in der Ehe erzielen, wird jedoch ausgeglichen, wenn die Zugewinngemeinschaft endet.


Die Zugewinngemeinschaft endet, wenn die Ehe endet: also durch Tod oder Scheidung. Das heißt: Erst bei einer Scheidung muss ein Mann beim sogenannten „Zugewinnausgleich“ plötzlich etwas teilen, was ihm zu Ehezeiten persönlich gehörte. Da das Gesetz von lebenslang andauernden Ehen ausgeht, denkt es den Scheidungsfall (das Teilen) nur als Sonderfall mit. Bei Scheidungen kollidieren zwei Prinzipien: das patriarchale Prinzip, dass Geld dem zuspricht, der es verdient, und das egalitäre, das Gleichberechtigung für einen übergeordneten Wert hält.

Das Familienrecht der DDR war an dieser Stelle weniger doppelzüngig. Im Familiengesetzbuch von 1975 hieß es ganz klar:

§ 13
(1) Die von einem oder beiden Ehegatten während der Ehe durch Arbeit oder aus Arbeitseinkünften erworbenen Sachen, Vermögensrechte und Ersparnisse gehören beiden Ehegatten gemeinsam.


Davon ausgenommen waren vor der Eheschließung erworbene, als Geschenk, Auszeichnung oder durch Erbe zugefallenen Sachen und Vermögensrechte sowie persönlich genutzte Dinge. Abweichende Eheverträge waren prinzipiell möglich, unterlagen aber Einschränkungen wie z.B.:

§ 15
(2) Über Häuser und Grundstücke können die Ehegatten nur gemeinsam verfügen.


Auch nach bundesdeutschem Recht sind Ehegatten theoretisch in der alleinigen Verwaltung ihres Vermögens beschränkt:

§ 1365
(1) Ein Ehegatte kann sich nur mit Einwilligung des anderen Ehegatten verpflichten über sein Vermögen im ganzen zu verfügen.


§ 1366
(1) Ein Vertrag, den ein Ehegatte ohne die erforderliche Einwilligung des anderen Ehegatten schließt, ist wirksam, wenn dieser ihn genehmigt.
(4) Wird die Genehmigung verweigert, so ist der Vertrag unwirksam.


In welchen Fällen „einseitige Rechtsgeschäfte“ tatsächlich für unwirksam erklärt werden, ist mir nicht bekannt.

Trennungsjahr

Vor der Scheidung steht das Trennungsjahr. Das in der Ehe erwirtschaftete Vermögen wird erst danach halbiert. Sprich: Wer nicht teilen will, hat ein Jahr Zeit, seine Konten leer zu räumen. Zwar warnt der Deutsche Anwaltverein: »Verringert ein Ehegatte bewusst sein Vermögen, um den anderen Ehegatten leer ausgehen zu lassen, hilft das Gesetz: Bei der Berechnung des Zugewinns wird auch das verschwundene Vermögen mit herangezogen.« Doch er weiß auch: »Voraussetzung dafür ist (..) der Beweis, dass dieses Vermögen früher einmal vorhanden war und der Ehegatte keinen guten Grund für diese Ausgaben hatte.« Gut gemeint ist der daraus folgende Rat: »Es empfiehlt sich also, während der Ehe immer über das Vermögen des anderen Ehegatten informiert zu sein und hierüber auch Unterlagen zu haben.« Wieder wird ein Einvernehmen vorausgesetzt, das beim Thema Geld oft nicht vorausgesetzt werden kann. Solange es keinen Rechtsanspruch auf Auskunft des Ehepartners gibt, bleibt die Empfehlung der Anwälte ein frommer Wunsch. In welchem Ausmaß das Trennungsjahr – unter eifriger Beihilfe von Anwälten und Banken – missbraucht wird, um Frauen Vermögenswerte zu entziehen, die sie gemeinsam mit ihren Partnern erwirtschaftet haben, wäre ein interessanter Untersuchungsgegenstand.

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